UWE ZOSCHKE Rechtsanwalt
Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen z. Hd. Herrn Sprotte – Referat IV D 1 Haroldstr. 5 40213 Düsseldorf
Rahden, 23. Dezember 1998
Sehr geehrter Herr Sprotte,
in der vorbezeichneten Sache nehme ich Bezug auf die mit Ihnen geführten Telefonate und führe folgendes zunächst in Kürze aus:
Ich bewohne im ländlichen Rand der Stadt Rahden ein Haus an einer Sackgasse mit nur zwei weiteren Häusern. In meinem Haus und in einem Gehege im Garten habe 10 Katzen untergebracht, die ich (meist in erbarmungswürdigem Zustand) fand, pflege und dann in gute Hände vermittle. Ferner sind im Garten zwei Holzhäuser mit je einer schwierigen, wilden Katze und Futterstellen für hausangebundene Streuner. Im Haus halte ich zwei Hunde. Einen davon in vorübergehender Pflege, bis auch er vermittelt werden kann.
Da ich hier aktiv Tierschutz betreibe (Gründer des Tierschutzvereins usw.) und auch schon Strafanzeigen gegen Tierhalter und Fallensteller erstattet habe, gelte ich nicht nur als „Sonderling“ sondern auch als „Fremdkörper“ bei der ländlichen Bevölkerung, die es mit Tierschutz und artgerechter Haltung nicht so hat. Ich habe auch Silvester 1995 gewagt, nach einer Stunde Knallerei um Ruhe wegen meiner Tiere zu bitten. Die Antwort war, daß von 5 bis 6 Uhr morgens (1. Januar 1996) alle 5 Minuten ein Kanonenschlag in Richtung meines Hauses geworfen wurde; so zum Abschluß einer Silvesterfeier.
Seit drei Jahren geschieht nun folgendes:
Früher, so erzählte man mir, sei es Brauch gewesen, am Neujahrstag von Haus zu Haus zu ziehen und Knaller nicht nur vor das Haus sondern auch in die Briefkästen zu werfen. Dann erhielt man und erhält auch noch heute einen Schnapsumtrunk und zieht weiter zum nächsten Haus.
Die Briefkästen werden seit einigen Jahren verschont, da sie immer zerfetzten und die Angelegenheit zu teuer wurde. Nun bin ich jedoch als Zielscheibe da und werde Neujahr ab 14 Uhr bis 21 Uhr von Nachbartrupps, die aus immer entlegenderen Gegenden kommen, mit Feuerwerkskörpern beworfen.
Verlasse ich das Haus wird direkt auf mich geworfen. Es werden gezielt Schüsse aus Pistolen mit Signalmunition auf mich abgegeben. Am 01. Januar 1997 zählten die Zeugin Frau Heike Meyer und ich insgesamt 200 Feuerwerkskörper auf dem Grundstück – insbesondere vor der Haustür. Als ich damals mit meinem Auto Hilfe holen wollte, stellten sich ca. 15 Heranwachsende vor das Fahrzeug. Es wurden dann Böller schwersten Kalibers in Kühlergrill und Auspuff gesteckt und zur Detonation gebracht. Als ich die Scheibe herunterkurbelte, drohte man Böller in das Auto zu werfen. Am 1. Januar 1998 stand mir ein Bekannter, Herr Christoph Schediwy, schützend zur Seite, um evtl. auch als Zeuge zur Verfügung zu stehen. Auch auf ihn wurde gezielt mit Leuchtspurpatronen geschossen. Im Beisein der herbeigerufenen Polizei versuchten erwachsene Männer der Nachbarschaft, ihn zu ergreifen, um ihn – das wurde lautstark angekündigt – zu verprügeln.
Der Polizei bietet sich, wenn sie – früh genug sichtbar – um die Ecke der Straßeneinfahrt biegt, ein friedliches Bild: Es stehen Gruppen herum, die Schnaps trinken und behaupten, ein wenig Feuerwerk zu zünden – selbstverständlich nur vor eigener Tür – und Silvester zu feiern. Das Werfen von Feuerwerkskörpern vor die Häuser sei hier Brauch.
Obwohl ich keine Feuerwerkskörper zünde, zieht die Polizei aus den zerplatzten Hülsen von schwersten Böllern und Raketen vor meiner Eingangstür keine Schlüsse!
Juristisch von mir belehrt, daß hier Straftaten u.a. des § 308 StGB (Verbrechen !) verwirklicht werden, wird von den Beamten beschwichtigt: es sei doch nur Silvesterbrauch!
Ein hoher Beamter (ein Herr Stelke) empfahl mir später, ein Straßenfest zu veranstalten, damit ich mir die Nachbarn zu Freunden mache. Es sei kein Problem des Strafrechts, sondern eines, was nur so zu lösen sei!
Ich trage alsbald ausführlicher vor.
Hochachtungsvoll Rechtsanwalt
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